Kölner Stadtanzeiger.

Auf der kleinen Bühne von Szene 93 ist eine spannende Aufführung  von “Die zwölf Geschworenen“ zu sehen.

VON SILKE WIEGAND

Erftstadt-Liblar. Es geht um nichts Geringeres als um Leben und Tod. Zwölf Menschen sollen entscheiden, ob ein 17-jähriger für die Ermordung seines Vaters auf dem elektrischen Stuhl landen soll. Der Prozess ist abgeschlossen, belastende Beweismittel wurden zusammengetragen, Zeugen gehört, die Plädoyers gehalten. Nun muss sich die Jury zurückziehen und ihr Urteil fällen, und zwar einstimmig: Schuldig oder nicht schuldig. Es ist der heißeste Tag des Jahres, und die Sache scheint klar: Der Junge hat seinen Vater ermordet. Der alte Mann in der Wohnung darunter hat es gehört. Eine Frau auf der anderen Seite der Straße hat es gesehen. Der Verkäufer des Messers behauptet, dem Jungen ein Unikat verkauft zu haben. Es bedarf keiner Diskussion. Oder doch? Denn Geschworene Nummer acht hat „begründete Zweifel“, will dem Angeklagten doch wenigstens ein paar Worte“ widmen, und damit beginnt das Dilemma. Nummer sieben will zum Baseballspiel, Nummer drei ist sich sicher, dass nichts auf der Welt ihn von seiner Meinung abbringen wird. Und am Ende scheint nichts mehr so klar, wie es auf den ersten Blick aussah. Dem Ensemble der kleinen Bühne von Szene 93 unter der Regie von Anette Dewitz gelang es bei der Premiere von Reginald Roses Gerichtsdrama über die Gefahren von Mitläufertum und Gruppendynamik am Samstag, die Spannung über zwei Stunden ununterbrochen hochzuhalten. Keine leichte Aufgabe, wenn während des gesamten Stücks alle Darstellerinnen und Darsteller auf der Bühne sind und der Blick des Publikums kaum Abwechs-lung findet. „Das Wichtige sind die 12 Geschworenen und ihre Reaktionen“, erklärte Anette Dewitz. „Nichts ist grell, keiner sticht durch sehr bunte Kleidung hervor, Wände, Tische und Stühle bleiben unauffällig“, so die Regisseurin. Das verfehlte seine Wirkung nicht, zumal die Charaktere unterschiedlicher nicht sein könnten. Da ist die besonnene Architektin, gespielt von Lydia Rondorf, die den Stein erst ins Rollen bringt und nach und nach auch bei den anderen Geschworenen „begründete Zweifel“ hervorruft, indem sie Details noch einmal rekapituliert. Da ist Geschworener Nummer neun (Hans-Paul Marten), der als erster die Seiten wechselt und klarstellt, dass „eine Menge Mut dazu gehört, gegen den Strom zu schwimmen und sich der Lächerlichkeit preiszugeben“. Da ist die Nummer elf, der Immigrant (samt russischem Akzent überzeugend: Stephan Nichtweiss), der sich erinnert, dass es zum Wesen der Demokratie gehöre, Verantwortung zu übernehmen. Und da sind die anderen Geschworenen, die nach und nach einsehen, dass sie sich von Vorurteilen und leichtfertigen Schlussfolgerungen haben leiten lassen. Spätestens als ganz zum Schluss auch der aggressive Geschworene Nummer 3 (grandios dargestellt von Jürgen Henne) nach einem letzten verbalen Ausbruch zusammenfällt wie ein zu schnell aus dem Ofen geholtes Soufflé, wird klar: Vorurteile können uns einen bösen Streich spielen und die Wahrheit verdunkeln. Das Fazit des Publikums trug sowohl dem Stück als auch der schauspielerischen Leistung Rechnung: „Mitreißend, hervorragend gespielt und superspannend, ich bin restlos begeistert“, so Sandra Prieß (50). „Von Anfang bis Ende intensiv und spannend, und mit einem gelungenen Cliffhänger zur Pause“, resümierte Christoph Müller (32). Und Annika Henne (24) fasste zusammen: „Bedrückend gut, es hat einen nicht losgelassen, man hatte das Gefühl, selbst mitten im Raum mit den Geschworenen zu sein“. Das Stück „Die zwölf Geschworenen“  ist auf der kleinen Bühne von Szene 93, Poststraße 4, in Erftstadt-Liblar,  zu sehen. Für die Termine am 30. November, 20 Uhr, 1. Dezember, 18 Uhr, 7. Dezember, 20 Uhr, 8. Dezember, 18 Uhr, 11. Januar, 20 Uhr und 12. Januar, 18 Uhr, gibt es gegebenenenfalls noch Restkarten an der Abendkasse. Weitere Vorstellungen sind für den 18. Januar, 20 Uhr und den 19. Januar, 18 Uhr, geplant.  www.szene93.de